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6. September 2012 - „Die Dresdner müssen nur die doppelte Grundsteuer zahlen“ |
Im Haushalt fehlen 282 Millionen Euro. Um die Lücke zu füllen, stellt Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann die Dresdner vor die Wahl. Dresden braucht Geld, wenn es sich sein Tempo und sein Wachstum weiter leisten will. Alle Pflichtausgaben und Kosten für beschlossene Projekte den zu erwartenden Einnahmen gegenübergestellt, beschert ein dickes Minus. Laut Finanzbürgermeister Hartmut Vorjohann (CDU) summiert es sich bis 2017 auf 282 Millionen Euro. Um das zu verhindern, gibt es für den Kämmerer drei zentrale Wege. Herr Vorjohann, am 27. September wollen Sie den Haushalt vorlegen. Wie es sich wohl für einen Kämmerer gehört, warnen Sie vorab vor drohender Geldnot. Aber bisher haben Sie doch noch jedes Jahr ein Plus stehen gehabt. Alles also nur das übliche Getöse? In den vergangenen Jahren haben wir gut dagestanden. Aber hier darf man nicht den verklärten Blick darauf werfen, den auch manche Stadträte zeigen. Denn wir haben seit der Finanzkrise 2008 zum einen etliche Projekte verschieben müssen und zum anderen von den Rücklagen gelebt. Zudem kam in Deutschland die wirtschaftliche Erholung schneller als von allen prognostiziert. Wie viel Geld haben Sie denn derzeit auf der hohen Kante? Zum 31. Dezember dürften wir 140 Millionen Euro in den Rücklagen haben. Aber diese werden alle gebraucht und fließen in den nächsten Haushalt. Wir werden im Schnitt über 100 Millionen Euro pro Jahr für neue Schulen brauchen, ab August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Krippen-Platz für unter Dreijährige. Wenn wir diese Pflichtaufgaben erfüllt haben, ist nichts mehr übrig. Und das Geld, das am Jahresende noch vorhanden ist, weil wir gut gewirtschaftet haben, ist schneller ausgegeben, als es reinkommt. Aber wenn es nötig war, haben Sie immer noch das nötige Kleingeld gefunden … Man muss im operativen Geschäft auch mal ausgleichen können. Wenn Unvorhergesehenes passiert, schauen wir, an welchen Stellen gegengesteuert werden kann. Wir reden beim Thema Schulen, Kitas und Großprojekte aber über ganz andere Dimensionen. Es gibt im Haushalt keine stillen Reserven um die Themen mal so eben stemmen zu können. Im Gegenteil. Es gelingt nicht, Rücklagen für schlechte Zeiten zu bilden. Und wir hatten im Vergleich zu dem, was auf uns als Kommune zukommt, gute Zeiten. Aber eher legt ein Hund eine Wurst auf Vorrat zurück, als dass Politiker Rücklagen bilden. Durch die Bestell-Mentalität im Stadtrat bekommen die Menschen dann den Eindruck, dass öffentliches Geld ohne Limit ausgegeben werden kann. Also versagen unsere Politiker? Da ist man schnell dabei, ihnen Versagen vorzuwerfen. Aber das halte ich für falsch, das ist zu einfach. Klar wollen sie wiedergewählt werden und müssen dafür eingehaltene Wahlversprechen bei ihren Wählern vorweisen. Aber die Bürger müssen sich auch an die eigene Nase fassen, weil sie von ihrem Staat und ihrer Stadt auch viel einfordern, und zwar in Summe mehr als finanzierbar ist. Wenn die Bürger sich zu Lobbygruppen zusammentun, kann der Druck noch erheblich gesteigert werden. Dann kommen noch die Medien mit ihrem Hang zur Dramatik und Skandalisierung. Wenn die Politik dann nicht bis zum Wahltag geliefert hat, wird sie abgestraft. Da hat es die Politik mit der Finanzehrlichkeit manchmal nicht leicht. Sie sind auch Politiker. Wie ehrlich sind Sie? Ich bin zuallererst Wahlbeamter in einer Stadtverwaltung und einer nachhaltigen Finanzpolitik verpflichtet. Ich habe es deshalb etwas leichter als andere, weil ich nicht unmittelbar für einen Geld ausgebenden Politikbereich, wie Sport, Schule oder Kultur, zuständig bin. Aber schauen Sie nach Griechenland, wo das Wechselspiel von dem Druck, wiedergewählt zu werden, und der Interessendurchsetzung von Lobbygruppen zu einer Aushöhlung des Gemeinwesens geführt habt. Da die Grundmechanismen dieses Wechselspiels überall ähnlich sind und zwar auch in Deutschland und auch in unserer Stadt, helfen nur vorher verabredete Spielregeln. In ganz Europa ringt man derzeit um klare Verfassungsregel zum Thema Schuldenbegrenzungen und -verbote. Da gibt es im Osten der europäischen Union eine Stadt, die heißt Dresden und die hat ein Verschuldungsverbot. Das aufzugeben wäre der Dammbruch für viele weitere Forderungen. Die einzige Spielregel, die ein Griechenland in Dresden verhindert, ist daher für die Stadt elementar. Aber die Stadträte stecken sich das Geld ja nicht in die eigene Tasche. Sie wollen marode Straßen und Fußwege sanieren, kaputte Brücken erhalten und Schulen und Kitas bauen. Die Investitionsnot ist doch unstrittig, oder? Wir können aber nicht mehr Geld ausgeben, als wir haben. Wenn wir heute auf Kredit bauen, dann muss dies die nächste Generation bezahlen. Ich halte es für pervers, Kinder heute in eine Schule zu schicken, die sie anschließend selbst bezahlen müssen, weil eine Generation vor ihnen alles auf einmal wollte. Die Drewag haben Sie auch mithilfe von Krediten zurückgekauft. Warum dann keine Kredite im Kampf gegen die Schulnot? Der Erwerb und die daraus entstandenen Verbindlichkeiten werden mit deren Gewinnen verrechnet. Kredite machen nur dann Sinn, wenn sie sich refinanzieren. Mehr Anteile an der Drewag bedeuten mehr Einnahmen. Sie bezahlt sich selbst ab. Sie können aber keine rein steuerfinanzierte Aufgabe auslagern und dann Kredite aufnehmen, die dann Generationen später noch mit abbezahlen müssen. Das wäre ein absurdes System. Ihr Bürgermeister-Kollege Dirk Hilbert hat den Verkauf von Drewag-Anteilen wieder ins Spiel gebracht. Ist das die Lösung der aufkommenden Finanzprobleme? Grundsätzlich ist es jetzt erst mal richtig, den Rückkauf der Drewag weiterzuführen und die Kredite zu bezahlen. Im Moment werden sämtliche Gewinne an die Technischen Werke (TWD) abgeführt. Da waren zum Bilanzstichtag Ende 2011 noch 760 Millionen Euro offen. Wir haben ja anfänglich 90 Prozent der mehr als 1 Milliarde Euro fremdfinanziert. Momentan fließt jeder Gewinn in die Tilgung. Da bleibt den Unternehmen nicht viel Geld für Investitionen. Also wäre ein Verkauf von Anteilen derzeit unsinnig? Unternehmerisch gesehen haben wir mit privaten Partnern nicht schlecht gelebt. Wenn der Rückerwerb der Drewag einmal abbezahlt ist, bleiben aber die Gewinne hier und können dem Haushalt helfen. Ein Verkauf macht außerdem nur Sinn, wenn wir mehr erlösen, als wir ausgegeben haben. Solche Fabelpreise sehe ich auf dem Energiemarkt derzeit nicht. Der Markt ist mit der Energiewende beschäftigt. Im Moment würden die Einnahmen des Verkaufs in die Tilgung der Kredite fließen. Erst wenn mehr als 50 Prozent, besser sogar 60 Prozent, davon abgezahlt sind, bleibt ein nennenswerter Betrag für den Haushalt übrig. Die Drewag verdient derzeit ja mehr Geld, als für die Kredittilgung prognostiziert. Mancher Politiker will deshalb schon jetzt Teile des Gewinns in die Stadtkasse abführen. Die Drewag ist gerade für Politiker aller Farben auf ihre Art die finanzielle Wundertüte, ob Verkauf oder Gewinnabzug. Die Drewag hat gerade ein paar gute Jahre gehabt. Bei den aktuellen Herausforderungen habe ich Zweifel, dass das anhält. Wir sind gut beraten, so schnell wie möglich die Kredite abzulösen. Der Rückkauf war strategisch klug und sollte fortgesetzt werden. Gut. Aber die Liste der beschlossenen Großprojekte ist lang. Wie sollen diese finanziert werden? Da beginnt die politische Diskussion, die die Stadträte zu führen haben. Wir legen am 27. September einen Haushalt mit Vorschlägen vor, die ich aber noch nicht verrate. Wer, wenn nicht der Kämmerer, sollte den Dresdnern diese Wege aufzeigen? Die Wege liegen doch auf der Hand. Wie im Privathaushalt kann ich die Einnahmen steigern oder die Ausgaben senken. Wir können ja mal kurz über die Grundsteuer nachdenken. Diese Steuer ist auf kommunaler Ebene die demokratischste Steuer, weil jeder von ihr betroffen ist, als Mieter, Hausbesitzer und Unternehmer. Die Dresdner müssten nur die doppelte Grundsteuer zahlen, dann können wir uns alle Projekte leisten. Fragen Sie sie, ob sie dazu bereit sind. Ich habe da meine Zweifel. Über höhere Parkgebühren spielen wir die 282 Millionen jedenfalls nicht ein. Wie dann? Durch das Ende der Bestellpolitik. Die Stadträte müssen jetzt entscheiden, welche der Projekte sie streichen oder verschieben wollen. Was heißt das für die Schwimmhalle Freiberger Straße, für Kulturpalast und Kulturkraftwerk? Wir werden noch mindestens 15Jahre praktisch jeden Cent für Schulen und Kitas brauchen. Ich denke da auch daran, dass wir die Einrichtungen betreiben müssen, für Kitas Personal brauchen und Löhne und Betriebskosten auch nicht sinken. Ich glaube nicht, dass wir uns das alles leisten können. Aber ich kenne auch kein UN-Menschenrecht, das einen Schwimmhallenplatz garantiert. Ein Freibad tut es vielleicht auch. Sie schließen den Drewag-Verkauf aus, glauben nicht an höhere Steuern. Ist die Situation nicht auch so verschärft worden, weil das Land keine Verantwortung für Dresden übernimmt? Ich habe grundsätzlich Verständnis für den Sparkurs des Landes. Aber in seiner Art vergaloppiert sich der Freistaat. Das Land hat satte Steuermehreinnahmen, lässt aber die Kommunen weiter allein. Jahrelang hat es die Bundesgelder für die Kita-Betriebskosten nicht weitergereicht. Da haben wir uns ab 2013 nun einen Anteil erstritten. Das Land hat seine Pro-Platz-Zuschüsse für Kita-Plätze schon lange nicht mehr erhöht. Einst zahlten Eltern, Land und Stadt je ein Drittel. Inzwischen tragen wir als Stadt fast 50 Prozent allein. Außerdem denkt das Land beim demografischen Wandel immer nur an Schrumpfung in den ländlichen Räumen. Für die wachsenden Städte mit ihren Herausforderungen tut es nichts. Im Land regiert die CDU, ihre Partei. Reden Sie nicht miteinander? Wir haben die neue Sachlage mit unserer Schulnetzplanung inzwischen an die Landesregierung geschickt. Den Schulhausbau können wir in dieser Dimension nicht alleine stemmen. Da hoffe ich noch auf Erkenntniszugewinne beim Freistaat. Diese Situation ist ja auch für uns neu und sehr dramatisch. Auf der anderen Elbseite ist dies noch nicht richtig angekommen. Die CDU-Landespartei muss sich überlegen, ob sie – wenn sie an dem gegenwärtigen Kurs festhält – in den sächsischen Großstädten noch wählbar ist. Gespräch: Denni Klein Sächsische Zeitung, 4. September 2012 |