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15. Juni 2012 - Niedlich = schützenswert? – Die Absurditäten des Artenschutzes

Täglich sterben Tier- und Pflanzenarten aus. Ganz akut vom Aussterben bedroht sind, nach Maßgabe der „Roten Liste“, rund 17.000 Arten. Darunter der Abgestutzte Schmal-Augenhornhalbflügler, der Scharfzähnige Zahnflügel-Prachtkäfer und der Schlanke Sand-Ahlenläufer, um mal ein paar zu nennen, die es bei uns in Deutschland in Kürze nicht mehr geben wird. Kaum einer weiß das.
Auf der anderen Seite machen wir einen ungeheuren Rummel um einen Eisbären namens Knut. Manche Tiere haben eben eine bessere Lobby als andere und alle Tiere haben in der Regel eine bessere Lobby als Pflanzen. Wir sind den Tieren gegenüber äußerst selektiv. Und das nicht nur, weil wir sie essen. Wir töten auch, so absurd das biologisch ist, täglich sinnlos Hunderte von Haien, zum großen Schaden der Weltmeere. Pandas hingehen sind so putzig und süß (ich wünsche Ihnen übrigens keinen in Ihrem Haushalt, Sie würden sich wundern), dass wir ihrer Vermehrung durch künstliche Befruchtung auf die Sprünge helfen.

Fazit: Menschen sind nicht besonders freundlich

Der französische Philosoph Michel Foucault meinte, angesprochen auf das Verhältnis von Mensch und Tier: „Sehen Sie sich eine Legebatterie an. Dann wissen Sie alles.“ Am Ende sind wir biologische Lebewesen und es geht um Biopolitik und Macht. Richard Ryder prägte für diesen Zusammenhang 1970 den Begriff „Speziesismus“. Unser Verhältnis zu den Tieren ist eines der Herrschaft. Und es ist extrem dualistisch, denn einerseits hätscheln wir einige Tiere, während wir andere zum Fressen gerne haben.
Es nutzt wenig, wenn wir, wie in dem Film „Manipulierte Evolution – Familienplanung im Tierreich“, eine Tierart durch künstliche Befruchtung erhalten wollen, während wir gleichzeitig ihren Lebensraum vernichten. Weltweit gibt es nur noch rund 300.000 Menschenaffen. Man schätzt, dass sie in 20 bis 30 Jahren ausgerottet sein werden. Es ist also dringend an der Zeit an einer intelligenten Ökologie zu arbeiten. Und das nicht nur, weil es das Jahr der Artenvielfalt ist. Wer heute Biodiversität vernichtet, die in komplexen Netzwerken die Erde umspannt und am Leben erhält, wird langfristig massiven Schaden erleiden. Die Erde wird trocken, die Vegetation stirbt ab – und mit ihr die Grundlage des Lebens. Am Ende sind wir selbst dran. Das klingt nach Koyaanisqatsi. Leider ist es deshalb nicht weniger wahr.

Vermutlich sterben wir aus

Die komplexen Strukturen der Ökologie sind keine Frage der Weltanschauung, sondern der Fakten. Vom Standpunkt der Evolution aus, ist uns alles erlaubt. Da gibt es keinen Gott. Wissenschaftler schätzen, dass im Verlauf der Erdgeschichte rund 500 Millionen Arten ausgestorben sind. Ich bin überzeugt, dass wir trotz Großhirn, Bach und Kant auf eine bestimmte Weise niemals so clever sein werden wie die Kopffüßler, die es seit 500 Millionen Jahren schaffen zu überleben. Uns gibt es gerade mal seit etwa 50.000 Jahren.

Wenn wir denken, dass es ohne die ein oder andere Art auch geht, dann mag das vielleicht hier und da sogar stimmen. Wenn man genauer überlegt, bedeutet es am Ende jedoch nur, dass genau das auch unser Schicksal sein wird, wenn wir versuchen Evolution zu spielen. Wir werden eines Tages, obwohl oder gerade weil wir so viele sind, aussterben. Vielleicht ist das für die Arten, die noch kommen werden, die beste Lösung.

3sat, Februar 2012

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