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13. Juni 2012 - Niederlage für die Stadt im Brücken-Streit

Ende des Jahres soll die Waldschlößchenbrücke fertig sein. Die Baufirmen fordern mehr Geld von der Stadt. Die Verhandlungen darüber können sich jetzt noch Jahre hinziehen.

Von Tobias Winzer

Die Urteilsverkündung gestern dauerte nur eine halbe Minute. In Abwesenheit der Prozessbeteiligten hat das Landgericht die Klage der Stadt gegen die Arbeitsgemeinschaft der Baufirmen (Arge) als „unzulässig“ abgewiesen. Der Streit um entstandene Mehrkosten beim Bau der Waldschlößchenbrücke geht damit weiter. Unklar ist, wer die zwei Millionen Euro Mehrkosten übernimmt, die durch das komplizierte Einschwimmen des Brückenmittelteils entstanden sind. Hinter den Kulissen verhandeln Stadt und Arge um die Zahlung weiterer zehn Millionen Euro. Das Rathaus prüft nun, ob es Berufung gegen das Urteil einlegt. Die SZ beantwortet die wichtigsten Fragen zum Brücken-Streit.

Wird die Brücke wegen des Rechtsstreits später fertig?

Danach sieht es momentan nicht aus. Stadtverwaltung und Arge planen weiterhin, dass Ende des Jahres die ersten Autos über die Waldschlößchenbrücke rollen können. Einen konkreten Termin gibt es aber nicht. Der technische Geschäftsführer der Arge, Henri Lossau, hatte am Montag betont, dass die Arbeiten – egal, wie das Urteil ausfällt – unvermindert weitergehen. Gestern waren er oder ein anderer Vertreter der Arge für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Ob der avisierte Termin tatsächlich gehalten wird, ist aber offen. Das ist vom Verlauf der weiteren Verhandlungen abhängig. Der Zeitpunkt der Fertigstellung ist das größte Druckmittel der Arge gegenüber der Stadt und wird als taktisches Mittel eingesetzt, um die Übernahme von Mehrkosten zu erreichen.

Gehen die Arbeiten an der Brücke planmäßig voran?

Ja. Eine wichtige Etappe ist die Fertigstellung der Fahrbahnplatte auf der Waldschlößchenbrücke. Die Arbeiten an dem insgesamt 636Meter langen Stahlbetonband sollen Anfang Juli abgeschlossen sein. Derzeit ist es wahrscheinlich, dass dieser Termin auch gehalten werden kann. Noch in dieser Woche soll das 20. von insgesamt 21 Teilstücken betoniert werden, teilt die Stadt mit. Die Arbeiten an dem letzten Abschnitt haben bereits begonnen.

Was muss die Stadt für den Brückenbau ausgeben?

Diese Frage kann selbst die Stadt nicht beantworten. Nach derzeitigem Stand wird die Waldschlößchenbrücke insgesamt mindestens 158Millionen Euro und höchstens 181 Millionen Euro kosten. Zwischen der Stadt als Auftraggeber und der Arge als Auftragnehmer sind derzeit rund zwölf Millionen Euro strittig. Mit der Feststellungsklage, die jetzt abgewiesen wurde, wollte die Stadt zumindest darüber Gewissheit haben, ob sie der Arge zwei Millionen Euro zusätzlich überweisen muss.

Beide Parteien hatten im August 2008 die sogenannte Stahlbauvereinbarung unterzeichnet. Darin gesteht die Stadt der Arge wegen Bauverzögerungen und gestiegenen Stahlpreisen Mehrkosten in Höhe von 14,9 Millionen Euro zu. Das Gericht sollte nun ein Urteil fällen, in dem festgestellt wird, dass die Technologie des Einschwimmens des Brückenmittelteils nicht Gegenstand dieser Vereinbarung war. Unter anderem durch das Einschwimmen des gesamten Mittelteils waren die Zusatzkosten entstanden. Ursprünglich sollte es in kleinen Teilen eingefügt werden. Das Landgericht wies die Klage ab, weil zuerst die Rechtmäßigkeit der Zusatzrechnungen entschieden werden müsse.

Um die Zahlung der weiteren strittigen zehn Millionen Euro verhandeln Stadt und Arge schon seit Längerem. Um festzustellen, ob die Mehrkosten rechtmäßig sind, haben Stadt und Arge verschiedene Gutachten erstellen lassen.

Wie lang wird der Rechtsstreit jetzt noch dauern?

Die Stadt fürchtet nun, dass die Kostenfrage erst nach dem Ende der Bauarbeiten und nach der Präsentation der Schlussrechnung geklärt werden kann. Ein weiterer, langwieriger Rechtsstreit droht. Das ist zum einen ärgerlich für die Stadt, weil sie nicht weiß, mit welchen Kosten sie kalkulieren muss. Zum anderen bringt der Streit kleine Unternehmer in Not, die die Zusatzleistungen weder von der Stadt noch von der Arge bezahlt bekommen. So wartet zum Beispiel eine holländische Montagefirma seit 2010 auf die Zahlung von 100000 Euro für den Aufwand beim Einschwimmen des Brückenbogens.

Sächsische Zeitung, 13. Juni 2012