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30. März 2012 - Nie mehr Stau

Von Denni Klein

Schneller mit dem Auto vorankommen, beste Anbindungen mit Bus und Bahn und dabei noch sparen: Das soll bis 2025 in Dresden Realität sein. Die SZ zeigt, wie das erreicht werden soll.

Ein staufreies Dresden – geht das? Ja. Das ist das Ergebnis des von Stadt, allen Parteien, Lobbyisten und Verkehrsexperten gemeinsam entwickelten Plans für Dresden. Ob mit Auto, Bus und Bahn, Fahrrad oder zu Fuß: Es soll schneller und bequemer vorangehen, dabei bezahlbar bleiben und die Umwelt schonen. Im der SZ exklusiv vorliegenden Verkehrsentwicklungsplan 2025 sind dafür etliche Maßnahmen entwickelt worden, die dafür umgesetzt werden müssen, um das Ziel zu erreichen.

Gesichert: Dresden wächst, das Umland schrumpft stark

Der Stadtrat hat klare Ziele beschlossen. Diese sagen: Alle Verkehrsteilnehmer sollen künftig besser vorwärtskommen als heute. Dabei muss bei allen Maßnahmen die Balance zwischen Anforderungen der Menschen, der Wirtschaft und der Umwelt gefunden werden. Mobilität muss auch für sozial Schwache bezahlbar bleiben. Dafür wurde die Ausgangssituation untersucht. Fest steht: Dresden wird bis 2025 um 15.000 auf 532.000 Einwohner wachsen. Im selben Zeitraum schrumpft das Umland um 120.000 Einwohner. Der Pendlerverkehr wird den Experten zufolge deutlich sinken, der Stadtverkehr zunehmen. Außerdem wurden alle beschlossenen Verkehrsprojekte als „umgesetzt“ angenommen.

Beschlossen: Königsbrücker Straße wird bis 2025 saniert

Bis 2025 sollen Autos über die Waldschlößchenbrücke rollen, auf einer sanierten Königsbrücker Straße fahren und die neu gebaute B6 durch Cossebaude nutzen. Bis dahin soll auch die Albertbrücke saniert, die S177 als Umgehung Pirna mit der Autobahn A4 verbinden und die Kesselsdorfer Straße autofrei sein. Außerdem sollen zwischen Bühlau und Weißig, Plauen und Johannstadt sowie TU und Wasaplatz Straßenbahnen auf neuen Strecken fahren und der S-Bahnbau der Deutschen Bahn mit allen neuen Haltepunkten, zum Beispiel am Bischofsplatz, umgesetzt sein. Dazu kommen noch kleinere Umbauprojekte, etwa an der Hamburger Straße und dem Emerich-Ambros-Ufer.

Prognostiziert: Das ganze Jahr Sommerferien auf den Straßen

Sind alle beschlossenen Verkehrsprojekte 2025 umgesetzt, geht der Plan davon aus, dass die heute gefahrenen 10,5 Millionen Autokilometer um 1,1 Millionen Kilometer reduziert werden, weil sich ein Großteil des heutigen Durchgangsverkehrs auf den Umgehungsstraßen außerhalb Dresdens abspielt und vor allem die neuen Bahnstrecken mehr Fahrgäste vom Auto in den ÖPNV locken. Doch für das Ziel eines staufreien, bezahlbaren und umweltschonenden Verkehrs in Dresden reicht das nicht. TU-Verkehrsprofessor Gerd-Axel Ahrens bezeichnete das Potenzial des Plans jüngst auf einer Konferenz von europäischen Verkehrsexperten deutlich größer: „Dresden kann zu Verkehrsverhältnissen kommen, als wären das ganze Jahr Sommerferien: Immer zehn Prozent weniger Autoverkehr auf den Straßen durch mehr Attraktivität für Bus, Bahn, Rad und Laufen.“

Empfohlen: Schlaue Ampeln und Fünf-Minuten-Takt

Alle am Verkehrsplan 2025 beteiligten Mitglieder des Runden Tischs empfehlen deshalb weitere Maßnahmen. So sollen die Routen aller Bundesstraßen aus dem 26er-Ring herausgelegt und so der als Staufalle bekannte Dr.-Külz-Ring entlastet werden. Vorhandene Hauptstraßen sollen nicht länger verbreitert, sonder künftig nur noch saniert werden. Das Stadtzentrum soll verkehrsberuhigt werden, beispielsweise durch eine autoarme oder autofreie Augustusbrücke und Sophienstraße. Gleichzeitig sollen die wichtigsten Straßenbahnen der Linien 3, 4, 7 und 11 in der Hauptzeit aller fünf Minuten fahren.

Auch der Bau einer neuen Elbbrücke vom Ostragehege nach Pieschen nur für Radfahrer, Fußgänger und die Straßenbahn wird empfohlen. Die S-Bahn soll zusätzliche Haltepunkte bekommen. Die Buslinie 61 könnte vom Wasaplatz bis zum Schillerplatz durch eine Straßenbahn ersetzt und die Linie 7 bis nach Ottendorf-Okrilla verlängert werden. Ein neuer Busbahnhof für Überlandlinien soll ebenfalls mehr Menschen transportieren.

Besonders wichtige Empfehlung: intelligente Ampelsteuerung. Diese soll erkennen, ob gerade ein Stau für Autos droht, oder eine Bahn Verspätung hat, und je nach Verkehrslage die Kreuzungen freischalten. So sollen Wartezeiten an roten Ampeln für alle verkürzt werden. Fuß- und Radwege sollen zusätzlich saniert werden. Dazu sollen Car-Sharing und Mietfahrräder die autofreie Mobilität unterstützen. Mit diesen Maßnahmen, so die Berechnung, könnten weitere 0,5 Millionen Autokilometer „gespart“ werden. Der Ansatz dafür: Wenn weniger Autos fahren, kommen alle, die auf das Auto angewiesen sind, schneller voran. Diese Prognosen gelten noch als konservativ, denn sie gehen davon aus, dass die Menschen ihren Mobilitätsmix genauso zusammenstellen wie bisher. Doch ein Effekt könnte die Entwicklung noch begünstigen: Der Benzinpreis. Der steigt derzeit rasant und könnte die Entscheidung, das Auto öfter mal stehen zu lassen und die dann gut ausgebauten Alternativen zu nutzen, noch deutlich verstärken.

Geprüft wurde auch, doppelt so viele neue Straßen zu bauen. Doch das Ergebnis ist überraschend: Das würde die Alternativen zum Auto schwächen, mehr Autofahrer anlocken und damit das Staurisiko noch verstärken.

Sächsische Zeitung, 30. März 2012


KOMMENTAR: Entscheidung fällt an der Geldbörse

Denni Klein über das Ziel der staufreien Stadt

Die ersten Ergebnisse des Verkehrsentwicklungsplans 2025 fallen überraschend aus und bringen Hoffnung: Wer kann schon gegen das Ziel einer staufreien Stadt sein? Die Maßnahmen haben eine breite Basis, denn am Runden Tisch sitzen die Autolobbyisten vom ADAC neben den Fahrradfreunden des ADFC ebenso wie Politiker von FDP und Grünen. Das Instrument der moderierten Sachdiskussion zeigt in Dresden nach dem 13. Februar zum zweiten Mal positive Wirkung. So sind bisher unüberwindbare Gräben mit Vernunft und Verantwortung überbrückt worden. Eine gute Ausgangssituation.

Der Plan, der die Stadtpolitik der kommenden 13 Jahre prägen soll, zeigt eines deutlich: Entschieden wird übers Geld. So wurde untersucht, die Dresdner Verkehrspolitik des „Größer, Schneller und Breiter“ fortzusetzen, Straßen und Brücken für eine halbe Milliarde Euro neu zu bauen. Doch die ohnehin nicht finanzierbaren Investitionen würden dem Ziel der staufreien Stadt sogar schaden. Da sind die Folgekosten für die neuen Straßen noch gar nicht bedacht. So wird allein die Waldschlößchenbrücke mit ihrer Tunnelzufahrt jedes Jahr einen Millionenbetrag für Wartung erfordern. Die Stadtkasse ist knapp. Das Geld wird richtigerweise für neue Kitas und Schulen genutzt. Entschieden wird natürlich auch an der privaten Geldbörse: Bezahlbar muss Mobilität bleiben. Es ist daher gut, wenn es zu 2,50 Euro oder noch höherem Spritpreis echte, attraktive Alternativen gibt.

Sächsische Zeitung, 30. März 2012