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7. Dezember 2011 - Dresden hat zu große Straßen

Etliche Neubaustrecken wurden für ein enormes Verkehrsaufkommen konzipiert. Tatsächlich fahren viel weniger Autos als erwartet. Doch die nächsten Fehler drohen.

Von Denni Klein

Eine vierspurige Königsbrücker Straße mit Tunnel an der Kreuzung Stauffenbergallee – das ist der Traum von CDU und FDP. Geld spielt keine Rolle. Seit über 15 Jahren fordern sie das, und vor wenigen Wochen setzten die Parteien zusammen mit der Bürgerfraktion und der NPD zumindest die vier Spuren im Stadtrat durch – gegen die Empfehlungen des FDP-Bürgermeisters Dirk Hilbert, gegen den Rat der TU-Experten und trotz Millionen-Mehrkosten.

Dabei gibt es heute in Dresden etliche Beispiele, die diese Verkehrspolitik infrage stellen. Das geht aus Angaben des Baubürgermeisters Jörn Marx (CDU) hervor, die er der Grünen-Stadträtin Margit Haase gemacht hat.

Beispiel 1: Auf der B173 fahren 9900 Autos weniger als geplant

Für den vierspurigen Autobahnzubringer Coventrystraße, der zugleich die neue Bundesstraße 173 bildet, wurden in den Planungen bis zu 27000 Autos vorhergesagt – ein klarer Fall für vier Spuren. Diese gelten frühestens ab 22000 Autos pro Tag als sinnvoll.

Die aktuellen Zahlen stellen diesen Ausbau nun infrage: Denn tatsächlich fahren nur 17100 Fahrzeuge auf der Strecke, die über 60 Millionen Euro gekostet hat. Das sind 37 Prozent weniger. Eine zweispurige Lösung hätte die Baukosten nach Expertenschätzungen um etwa ein Drittel auf 40 Millionen reduziert. „Geld, das bei den Schulen fehlt“, sagt Grünen-Stadträtin Haase. So viel kostet der Neubau eines Gymnasiums.

Beispiel 2: Am Flügelweg fahren 14550 Autos weniger als geplant

Ihr ganzes technisches Können durften die Ingenieure an der Kreuzung Hamburger Straße/Flügelweg beweisen. Hier wurde die Kreuzung in zwei Ebenen gelegt, der Flügelweg taucht mit einem Tunnel unter der Hamburger Straße durch. Dazu kommen vom Flügelweg aus in beide Richtungen zwei Linksabbiegerspuren oberirdisch. Allein diese Kreuzung kostete 18 Millionen Euro, ohne den Gleisbau für die Straßenbahn.

Geplant waren hier täglich 37150 Autos. Tatsächlich fahren heute 22600 Autos durch den Tunnel (minus 39 Prozent). Auch hier geht die studierte Verkehrsplanerin Haase davon aus, dass erheblich hätte gespart werden können, bis zu 30 Prozent sagt Haase.

Beispiel 3: Auf der B170 fahren 11450 Autos weniger als geplant

Auch die großzügig für die Bundesstraße 170 ausgebaute Bergstraße ist für deutlich mehr Autos konzipiert als heute auf der Strecke fahren. Hier wurden nach den offiziellen Angaben der Stadt 36900 Autos als Prognose in der Planung zugrunde gelegt. Die aktuellen tatsächlichen Zahlen bescheinigen nur noch 25450 Autos. Differenz: 31 Prozent. Der Ausbau kostete 21,7 Millionen Euro. Auch hier sei wertvolles Geld buchstäblich im Boden versenkt worden, kritisiert Haase. Sie warnt davor, diese Fehler nun etwa an der Königsbrücker Straße zu wiederholen. Der vierspurige Ausbau würde mindestens drei Millionen Euro mehr kosten. Dafür kann man eine Kita mehr bauen. Kommentar

KOMMENTAR

Großspurig ist kleinkariert

Denni Klein über den Ausbau von Straßen

Es sind nur drei Beispiele einer langen Liste großer Straßenbauprojekte in Dresden, die eine Nummer kleiner auch ihren Dienst getan hätten. Der Wiener Tunnel würde sich hier beispielsweise genauso einreihen. Der vierspurige Tunnel ist befahren wie eine bessere Nebenstraße. Die Straßen sind gebaut, wozu noch Kritik? Erstens, weil das Geld heute extrem fehlt, und zweitens, weil diese Straßen bis heute extrem teuer sind. Allein für Wartung und Betrieb von Wiener Tunnel, Bramschtunnel und Flügelwegtunnel zahlt die Stadt jedes Jahr Millionenbeträge. Ebenfalls Geld, was Jahr für Jahr fehlt.

Deshalb sollten solche Fehler jetzt nicht wiederholt werden. Doch genau das passiert, wenn die Königsbrücker vier Spuren bekommt. Besonders peinlich wird es, wenn anschließend der Verkehr mit Pförtnerampeln künstlich gedrosselt werden muss, um die Luftverschmutzung zu reduzieren. Die Millionen kann man sich tatsächlich sparen. Auch das Ausmaß der Verlegung der B6 in Cossebaude sollte überprüft werden. Auch hier gehen Planungszahlen und Verkehrsentwicklung auseinander. Großspurig ist kleinkariert, denn mit Vernunft kann viel Geld gespart werden.

Sächsische Zeitung, 2. Dezember 2011