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26. Juli 2010 - Deutschland wirbt verstärkt um Gunst der Welterbehüter

Paris/Brasilia (DPA): Rund 890 Kultur- und Naturdenkmäler haben es geschafft und dürfen sich mit dem viel begehrten Unesco-Titel „Welterbe“ schmücken. Dieses Jahr hofft das Oberharzer Wasserregal auf diese Ehre, ein jahrhundertaltes komplexes Wasserwirtschaftssystem. Die Entscheidung darüber wird in Brasilia zwischen dem 25. Juli und 3. August fallen, wenn sich das UNESCO- Welterbekomitee zum 34. Mal trifft. Insgesamt bemühen sich 32 Kultur- und Naturstätten um die Aufnahme in den exklusiven Kreis der Welterbestätten. Dass das UNESCO-Prädikat so gefragt ist, liegt einerseits an den Fördergeldern, die mit diesem Qualitätssiegel verbunden sind, andererseits an dem wirtschaftlichen Potenzial, das die „Welterbe-Touristen“ repräsentieren.

In Niedersachsen gibt man sich zuversichtlich. „Der niedersächsische Vorschlag, die Oberharzer Wasserwirtschaft als deutsches Weltkulturerbe der UNESCO aufzunehmen, ist eine berechtigte Auszeichnung für den Harz. Nun besteht die Chance, dieses seit dem Mittelalter weiter entwickelte Meisterwerk der Wassertechnik aufzuwerten“, erklärte das Kulturministerium in Hannover vor wenigen Tagen. Doch nicht alle Denkmäler haben die Chance aufgenommen zu werden. Deutschland ist derzeit mit 33 Stätten vertreten. Ägypten, das Reich der Pharaonen und Pyramiden, mit sieben.

Das Oberharzer Wasserregal zählt zu den größten und bedeutendsten historischen bergbaulichen Wasserwirtschaftssystemen der Welt. Die Anlage erstreckt sich über ein Gebiet von rund 200 Quadratkilometern im niedersächsischen Teil des Harzes und besteht aus miteinander verbundenen Teichen, Stollen, Gräben und Schächten. Die Anlage wurde vom 16. bis 19. Jahrhundert von Bergleuten zum Antreiben von Pumpen und Wasserrädern gebaut und genutzt. Das deutsche Meisterwerk früherer Ingenieurskunst hat starke Mitkonkurrenten. Die Niederlande wollen die Auszeichnung für das Stadtviertel und Kanalsystem der Singelgracht in Amsterdam und Österreich für die Altstadt von Graz und das Eggenberg-Schloss im Westen der Stadt.

Wie hoch die Chancen des Antrags der Marshall-Inseln sein wird, das Bikini-Atoll in die Liste des Weltnaturerbes aufzunehmen, wird ebenfalls in der nächsten Woche entschieden. Das Atoll liegt im Pazifischen Ozean und wurde zwischen 1940 und 1958 als Schauplatz zahlreicher Kernwaffentests der USA benutzt.

Im vergangenen Jahr entzogen die Welterbehüter dem Dresdner Elbtal den Welterbetitel. Dieses Jahr soll dieses Schicksal zwar keine der Stätten treffen, doch sollen mehrere Projekte einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Die 21 UNESCO-Experten werden sich erneut mit der Frage befassen, ob sich eine von der Wirtschaft Rheinland- Pfalz geforderte Brücke mit dem Welterbestatus des Oberen Mittelrheintals verträgt – der Ausgang ist offen. Zwischen Koblenz und Mainz gibt es auf rund 85 Kilometern weder Brücke noch Tunnel.

Mit Spannung schaut auch Regensburg auf die von diesem Sonntag bis 3. August dauernde Tagung im fernen Südamerika. Die Oberpfälzer Stadt will dort den Welterbehütern Pläne zum Bau einer Brücke über die Donau vorlegen. Sozusagen eine Ersatzbrücke zur „Steinernen Brücke“. Die fast 900 Jahre alte „Steinerne“ – sie gehört neben dem gotischen Dom zu den herausragenden Denkmälern der Weltkulturerbestadt – wird derzeit für 20 Millionen Euro saniert. Kritiker befürchten eine Parallele zur umstrittenen Waldschlösschenbrücke im Desdner Elbtal.

(Märkische Oderzeitung, 23. Juli 2010)

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Land will auf UNESCO-Tagung beim Thema Mittelrhein behutsam vorgehen

Bei der bevorstehenden Tagung des UNESCO-Welterbekomitees wollen die Vertreter des Landes Rheinland-Pfalz beim Thema Mittelrheinbrücke äußerst behutsam vorgehen. Man werde nicht so «massiv» auftreten wie damals die Delegation aus Dresden, als es um die Waldschlößchenbrücke im Elbtal ging, sagte Kulturstaatssekretär Walter Schumacher in Mainz im ddp-Interview.

«Die haben es darauf angelegt», betonte Schumacher. Die Dresdner Waldschlößchenbrücke befindet sich derzeit im Bau, der Welterbetitel wurde 2009 aberkannt – ein bisher einmaliger Vorgang.

Bei der UNESCO-Tagung in der brasilianischen Hauptstadt Brasilia vom 25. Juli bis 3. August steht unter anderem die im Oberen Mittelrheintal geplante Rheinquerung auf der Tagesordnung.

Die Landesregierung habe alles, was die UNESCO zu dem Projekt verlangt habe, bereits eingereicht, sagte Schumacher. Darunter sei auch ein Gutachten eines Büros in Aachen, das den Brückenbau positiv bewerte. «Dasselbe Institut hatte damals die Waldschlößchenbrücke abgelehnt», sagte Schumacher. Zu dem Gutachten gehörten unter anderem Fotos des Oberen Mittelrheintals aus etwa 80 Perspektiven, in die die Brücke nachträglich eingefügt wurde. Auch seien bereits Vertreter der UNESCO vor Ort gewesen, um sich selbst ein Bild zu machen.

Zur Kritik der rheinland-pfälzischen Grünen, die die Brücke ablehnen und auch keine endgültige Entscheidung in Brasilia erwarten, sagte Schumacher: «Wenn man etwas nicht will, kann man es immer anzweifeln.» Zu möglichen Belastungen durch die Brücke gebe es bisher «keine seriöse Berechnung von den Kritikern, die gibt es nur von der Landesregierung».

Auf die Frage, was zu tun sei, wenn die UNESCO die Vereinbarkeit von Brückenbau und Welterbetitel nicht sehe, sagte Schumacher: «Dann muss sich die Landesregierung überlegen, was sie tut.» Vor den Entscheidungen der UNESCO «muss man Respekt haben».

(AD HOC NES, 23. Juli 10)

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